Als deutsche Mutter von drei halb-arabischen Kindern gehört es zu meinen Hauptaufgaben, eine Brücke zwischen den Kulturen zu bauen; ein Balancierakt.

Als ich vor 20 Jahren meinem Mann in England auf dem College begegnete, hätte ich gelacht, wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages einen nicht europäischen Ausländer heiraten würde. Doch wie heisst es so schön; wo die Liebe hinfällt? Da war sie nun gefallen und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Als deutsche, obergenaue und mit einem Abitur gebildete junge Frau erkundigte ich mich trotzdem vor der Heirat über die rechtliche Situation. Von der Beratungstelle in Hamburg bekam ich eine ausführliche Broschüre zugeschickt mit Informationen über die Gesetzgrundlagen einer Heirat zwischen einem/einer Deutschen und einem/einer Araber/in. Handschriftlich hatte mir die Dame dieser Beratungstelle aber vorsorglich noch einen Rat mithinein geschrieben, dass ich besser nachforschen solle, ob mein zukünftiger arabischer Ehemann nicht schon eine oder mehrere Frauen in seinem Heimatland hätte. Der Rat war gut gemeint, sicherlich aus Erfahrungsgründen, aber mein Verlobter hatte noch keine Frau in seinem Harem. Ich war und bin die Einzige.

Mittlerweile sind wir 16 Jahre verheiratet, immer noch glücklich und unser ganzer Stolz sind unsere drei Kinder, zwei Mädchen, ein Junge. Alle drei sprechen fliessend Arabisch, Deutsch und Englisch (was ich nicht zuletzt der technischen Errungenschaft des Satellitenfernsehens zu verdanken habe); unsere Religion ist der Islam und wir sind bestrebt, unseren Kindern beide Kulturen zu öffnen; ein Balancierakt, wie sich manchmal herausstellt, was nicht selten auf die fehlende Toleranz der Menschen aus beiden Kulturen zurückzuführen ist. Dennoch fliegen wir jedes Jahr Opa und Oma in Deutschland besuchen, wie auch meine Familie mich regelmässig hier besucht. Kontakt ist das Wichtigste und so haben sich bei uns die zwei Kulturen schon ein ganzes Stück „angenähert“, nicht allein durch die Liebe zwischen Kindern, Eltern und Grosseltern, sondern auch durch ein intensiveres Kennenlernen, welches die Verständigung und vorallem das Verständnis extrem fördert.

Wenn eine Unterhaltung in Deutschland auf Arabien zu sprechen kommt, dann räumt meine Familie gerne mit Vorurteilen auf, wie z.B. der Unterdrückung der Frau im Islam und fanatischen Arabern. Dass diese Umstände auch existieren, können und wollen wir nicht leugnen, aber es ist keine Allgemeinwahrheit. Mitunter machen wir auch Witze über die üblichen Klischees beider Kulturen und Opa schmunzelt wenn seine Enkelkinder ihn beim Essen der Schweineleberwurst necken; er lässt es sich trotzdem schmecken und wir gönnen es ihm. Schon früh haben die Kinder gelernt, mit der Andersartigkeit der Kulturen und der Religionen umzugehen und mitunter auch einige Dinge im Raum stehen lassen zu können, ohne dass man auf sein Recht pochen muss. So verzichten meine Familie und Freunde in Deutschland auch ohne Probleme auf den Alkohol beim gemeinsamen Essen, dafür wir sie mit unseren arabischen Kochkünsten verwöhnen, Aufeinanderzugehen ist die Devise. Unsere Kopftücher sind ebenfalls schon lange kein Thema mehr, man kennt sich und mag sich mit oder ohne, das ist völlig egal. Genauso achten wir darauf, dass meine weiblichen Familienmitglieder und Freundinnen hier auch unverhüllt mit Respekt und Höflichkeit behandelt werden; Diskriminierungen werden nicht geduldet.

Da ich aus einer anderen Kultur komme, kann ich meinen Kindern die Nachteile ihrer „Vaterkultur“ oder meiner eigenen nicht schönreden oder Missstände nicht bestreiten. Wir diskutieren offen über die „Problemthemen“ wie z.B. religiöser Extremismus und Ausländerdiskriminierung. In einer Familie, deren Mitglieder nur aus einer Kultur mit derselben Religion stammen, ist es leicht, eine andere zu kritisieren oder schlechter zu machen als die eigene. Das ist bei uns nicht möglich, ohne Menschen, die man liebt, dadurch eben auch schlecht zu machen. Unsere Kinder kennen sich deshalb trotz ihres jungen Alters (14,11 und 6) schon sehr viel mehr in Sachen Religion und Sitten sowie der Arabiens als auch Deutschlands aus. Allein die Kenntnis verringert die Angst vor der Andersartigkeit der anderen Kultur oder Religion. Denn die Angst auf Verlust der eigenen Werte ist oft zurückzuführen auf die eigene Unsicherheit oder Angst vor dem Unbekannten. Wissen ist bekanntlich Macht und in diesem Falle ersetzt es das Ohnmachtsgefühl der Ignoranz, was den Menschen in beiden Teilen der Welt zu schaffen macht und weswegen sich die Menschen der jeweilig anderen Kultur und Religion so ablehnend gegenüber stehen.

Doch leider ist es nicht so einfach wie man denkt oder es sich wünschen würde, denn mindestens ein Hinderniss steht der Annäherung und Verständigung zwischen den Kulturen im Wege, nämlich deren Schattenseiten; zum einen die Verwechselung von Tradition und Sitten mit religiösen Geboten, und zum anderen der Entfremdung oder Ablehnung religiöser Werte (Ein wichtiges Thema für einen weiteren Bericht). Dennoch glaube ich, dass wo ein Wille, eben auch ein Weg ist. Es gibt Beweg- und Hintergründe für jedes Verhalten, man muss diese nur kennen und von vielen Seiten durchleuchten, um sie erklären und verstehen zu können, was nicht gleichzusetzten ist mit unkritisch akzeptieren. Vielleicht sind es junge bikulturelle Menschen wie meine Kinder, die in der Zukunft helfen können, zwischen den Kulturen Brücken zu bauen und Vorurteile sowie Ängste abzubauen, nicht indem sie die Kulturen oder Religionen von Grund auf verändern, sondern indem sie durch ihre selbstverständliche Kulturüberbrückung Verständigung und Verständnis schaffen.