Die lernt man wenn man im Ausland lebt erst richtig, wie z.B. „Achtung, nicht lächeln!“

Wenn man im Ausland lebt lernt man auch die Sitten eines Landes kennen, auf die nicht im Fremdenführer hingewiesen werden. Zum Beispiel, dass man besser keinen guten Tag wünschen und freundlich lächeln sollte, wenn man auf dem arabischen Markt, dem ‚Zuk‘, einen Laden betritt. Das war meine erste Lektion, die ich über meine neue Heimat Bahrain lernen sollte, als ich nämlich zum ersten Mal einen der bis unter die Decke mit Waren gefüllten, kleinen Läden des traditionellen Marktes betrat und, wie ich es nicht anders gewohnt war, nett lächelnd die Tageszeit wünschte.

Ich wurde sofort von beiden indischen Verkäufern bedient, die seltsam zurücklächelten. Ich dachte mir nicht viel dabei, fiel ihnen bestimmt trotz meines Kopftuches und der arabischen Abaja, die ich trug, auf, dass ich eine Ausländerin war. So frug ich nach den Dingen, die ich kaufen wollte, und die Verkäufer zauberten immer mehr Sachen unter den vielen Waren hervor und hielten sie mir vor mein Gesicht. Zuerst fiel mir nichts dabei auf, denn ich war zu sehr erstaunt, wie das alles in den winzigen Laden hineinpasste. Plötzlich merkte ich, dass die beiden Verkäufer den für diese Kultur üblichen Abstand nicht mehr einhielten. Ich war verwirrt, hatte ich irgendetwas gesagt, das sie ermutigt hatte? Ich war doch nur freundlich und höflich.

Glücklicherweise kam in dem Moment eine einheimische Frau in den Laden und die Verkäufer wendeten sich von mir ab, nicht weil sie unhöflich sein wollten, sondern weil die einheimische Frau uns unterbrach (was mir in dem Moment mehr als Recht war). Und nun bekam ich eine Lektion über das hiesige Verhalten zwischen Kundin und Verkäufer, was ich nach all den Jahren nicht vergessen habe. Die Frau sagte weder guten Tag noch Bitte oder Danke. In einem scharfen Ton und ohne die Verkäufer nur eines Blickes zu würdigen, kommandierte sie ihre Bestellungen wie auf dem Armeefeldplatz. Fragen der Verkäufer wurden mit einem kurzen Ja oder Nein im Befehlston erwidert. Auf ihre Antwort über den Preis wurden die Verkäufer mit einem schnippischen „wieviel als letztes“ (was heissen soll, „Wie ist der letzte Preis?“) ‚beschossen‘. Für die Verkäufer schien das alles ganz normal zu sein, denn sie waren völlig unbeeindruckt und benahmen sich plötzlich wie normale Verkäufer.

Die Frau war bedient und verliess den Laden. Die Verkäufer drehten sich um und hatten wieder dieses breite Grinsen aufgesetzt. Ich dachte mir, was die Frau kann, kann ich auch und so stellte ich mein Lächeln ein und liess meinen Gesichtsausdruck verhärten. Die Verkäufer gingen sofort auf Abstand und ich war eben so schnell bedient wie zufrieden. Voila, etwas ungewöhnlich für mich, aber es funktionierte, ich verliess grinsend den Laden. Nun gut, „andere Länder, andere Sitten“, mal sehen, was ich als nächstes erleben würde.

Ich brauchte nicht lange zu warten. Als frisch vermältes Paar bekamen wir den ersten Besuch am selben Abend bei meiner neuen Familie. Die mir unbekannten Gäste wurden überaus freundlich empfangen, und ich wurde genauso herzlich von ihnen begrüsst, nachdem mich die Frauen gesichtet hatten; waren sie doch gespannt auf die europäische Muslimin, die zudem auch noch Arabich sprechen sollte. Ich war froh bei so vielen neugierigen Blicken, dass wir Frauen unter uns waren, wie es, was ich allerdings wusste, arabische Sitte ist. Nachdem die Gäste weg waren, kam mein Mann herein und frug mich, ob ich die Geschenke, die die Gäste mitgebracht hatten, nicht aufmachen wollte. Welche Geschenke? Mir hat keine ein Geschenk gegeben. Meine Familie musste lachen. Doch, aber die waren hinter der Türe oder hinter dem Sessel versteckt. Seltsame Ostersitte, dachte ich noch, und dann zogen wir die vielen Geschenke hinter den Möbeln hervor.

Denn Geschenke werden einem nicht überreicht, sondern die bringt man mit und stellt sie stickum (wie meine Grossmutter sagen würde, also unbemerkt leise) irgendwo ab, wo man sie nicht sieht. Erst wenn die Gäste wieder weg sind, kann man die Geschenke auspacken, um seine Freude oder auch Enttäuschung im Beisein der Familiemitglieder auszudrücken, die dann entweder mit einem wohlwollenden Kommentar oder einer abfallenden Bemerkung ihren Senf dazugeben dürfen. Wie praktisch, kein öffentliches Auspacken der Geschenke vor den gespannten Gesichtern der Gäste und keine falsche Freude vortäuschen zu müssen. Bedanken kann man sich dann immer noch später, wenn man sich über ein Geschenk wirklich gefreut hat. Die Geschenke, die man nicht mag, darf man aber auch weiterverschenken. Im umgekehrten Fall ist das Auspacken von Geschenken wiederum oberpeinlich vor den Personen, die einen beschenken, wie es der Tante meines Mannes bei uns in Deutschland erging. Die Arme brachte es einfach nicht fertig, und war überaus dankbar für das Verständis der deutschen Gastgeberin, die uns in Bahrain besucht hatte und informiert war.

Einiges hat sich seitdem verändert durch den Bau der vielen modernen Shopping Malls oder auch beim Überreichen der Geschenke. Doch es gibt sie noch die Läden auf dem ‚Zuk‘ und die alten Gastsitten in den Dörfern. Vielleicht schreibe ich sie irgendwann mal alle auf, bevor sie von der modernen Entwicklung aufgesaugt werden, die dieses kleine Inselkönigreich in einem schwindelerregenden Tempo seit den letzten 16 Jahren ergriffen hat.