Eine Regionalzeitung aus meiner alten Heimat fragt seine schreibenden Leser, was sie von Autorennen halten, insbesondere der Königsklasse Formel 1. Also dachte ich mir, gebe ich meinen Senf dazu aus der Sicht einer Formel 1 Austragungsortsbewohnerin (falls es ein solches Wort überhaupt gibt) der übernächsten Etappe, Bahrain. Ich wohne nun seit fast 17 Jahren in dem kleinen Inselstaat, bzw. neuerlich Königreich, im Persischen Golf und davon die ersten 14 Jahre ohne Formel 1. Ich wußte doch, daß mir irgend etwas gefehlt hatte zum i-Tüpfelchen meines Insellebensglücks.

Seit die Formel 1 hier ‘gelandet’ ist hat sich viel getan in Bahrain, dem Minikönigreich mit ungefähr einer Millionen Einwohnern. Der Bauboom kennt keine Grenzen und damit auch nicht die Anzahl der Migranten, die hier als Billigarbeiter zu Tausenden ins Land geholt werden, um all die luxoriösen Projekte zu bauen. Die haben aber nichts von dem Luxus, der wie überall auf der Welt nur der High Society vorbehalten ist. Und dazu gehöre ich leider auch nicht.

Doch mal ehrlich, was hat so ein kleines Land wie Bahrain von der Formel 1? Hm, mal überlegen. Die Formel 1 ist dem Kronprinzen seine ganz persönliche Leidenschaft und er hat damit die reichen Nachbarn grün vor Neid werden lassen, daß sie nicht vorher auf diese coole und kühne Idee gekommen sind, den Herrn Ecklestone dazu zu überreden, die Formel 1 in die Wüste zu schicken, äh zu holen. Tja, ätschi bätsch. Und Bahrain hat es der Welt gezeigt, als Minikönigreich so ein Projekt in so einer kurzen Zeit zu bewältigen. Es gibt sogar einen Film über die Entstehung der Formel 1 Strecke, ein spannender Dokumentarstreifen, über 45 Minuten lang, über die ganzen Strapazen und die Wüstenmassen, die dafür bewegt werden mußten, inklusive der neuen Anfahrtsstraßen und Luxushotelbauten für die dollarschweren Touristen, über die schlaflosen Nächte der Verantwortlichen und den immensen Zeitdruck, rechzeitig die Strecke fertig zu stellen, aber nicht über die vielen Millionen, die der ganze Aufwand gekostet hat und die die Einwohner vielleicht besser für neue Häuser oder Wohnungen und Dorfstraßen oder Dorfkrankenstationen gebraucht hätten und immer noch tut. Denn viele Bahrainis müßen immer noch mit einem monatlichen Gehalt von nicht mehr als 300 Euro auskommen, wohlgemerkt für die ganze Familie, nicht pro Person. Und wie groß eine arabische Familie sein kann, davon haben die Leser bestimmt schon mal gehört.

Aber man kann ja nicht alles haben. Dafür gibt es zwei extra Tage schulfrei, um ein Verkehrschaos an den Renntagen zu verhindern, und freie Tickets für die Studenten, deren Uni direkt neben der Rennbahn steht; aber eigentlich damit genug Zuschauer kommen, denn die Tickets sind unerschwinglich für einen bahrainischen Normalbürger, ganz zu schweigen von den vielen armen Fremdarbeitern.

Aber auch die Formel 1 mußte Abstriche machen. So gibt es in Bahrain keinen Sekt für die traditionelle Siegerehrungsdusche, weil Bahrain ja ein islamisches Land ist. Dafür brauchen die hübschen weiblichen Formel 1 “Accessories” ihr sexy Outfit und was da drin steckt nicht bedecken und den Alkohol gibt’s dann eben später im Hotel (beides im nahen Saudi Arabien schier undenkbar). Als Entschädigung für die religiösen Einwohner sollte der Formel 1 Tourismus die Shopping Malls und die Kassen der Geschäfte füllen für den Profit der Allgemeinheit. Doch die Geldbörsen der Bürger wurden nicht viel voller als vorher, denn die Formel 1 Society mischt sich eigentlich nicht unters gemeine Volk. Wieso auch? Die Hauptattraktion ist ja wohl das Rennen, oder vielleicht doch das Sehen und Gesehenwerden auf dem Ring und den Parties danach? Da vergißt man leicht, worum es eigentlich geht, den Motorsport. Ach ja.

Aber nur um flitzende Autos in der sengenden Sonne zu begucken, bezahlt man doch nicht so viel Kohle, das Drumherum muß eben auch stimmen. Dafür hat Bahrain bestens gesorgt: ein tolles Begleitprogramm auf dem Ring während der drei Renntage, erstklassige Hotels, kulinarische Spitzenrestaurants, einige verlockende Luxusgeschäfte wie die Juweliere, berühmt für ihr 21-Karat Gold und bahrainische Naturperlen; und selbstverständlich kann der Formel 1 Besucher ohne Probleme einreisen, denn ein Visum bekommt man ganz einfach am Flughafen, damit die Formel 1 Touristen nicht aufgehalten werden. Solche paradiesischen Bedingungen locken natürlich auch andere an, die nicht unbedingt am Autorennen interessiert sind, wie die vielen netten single Ladies aus den Ostblock und anderen asiatischen Staaten, die man, ohne Vorurteile vorschieben zu wollen, eher dem horizontalen Gewerbe zuordnen würde, und die sehr zum Ärger der Bahrainis gerne länger bleiben als ihr zweiwöchiges Formel 1 Touristenvisa für 10 Euro es erlaubt. Tja, Bahrains verbesserte Rangstufe auf der internationalen Ansehens- und Wichtigkeitsskala verlangt nun mal so manches Opfer.

Der Vorbreitungsendspurt für das Rennspektakel (am 13.,14. und 15. April) läuft bereits in vollem Gange und ist natürlich Thema Nummer 1 in den Medien, was praktischerweise die wieder aufkeimenden Dorfkrawalle der unzufriedenen Arbeitslosen und Regierungsgegner, wie wir sie aus London und Paris auch kennen, aus den Schagzeilen verdrängt. Man will schliesslich ein perfektes Image präsentieren und sich nicht die Laune durch allerlei unangenehme Probleme der jungen Demokratie, oder was noch daraus werden soll, verderben lassen. Außerdem ist das Wetter schon so freundlich und wird bald richtig schön mollig warm, was wiederrum den Vorteil hat, daß sich die westlichen Touristen die lästige Sonnenbank sparen können.

Aber mal ganz ehrlich, was mir persönlich am besten an der Formel 1 gefällt? Dank Schumis Autorennen in Bahrain werde ich endlich nicht mehr dumpf gefragt “wo iss dat denn” wenn ich in Deutschland erzähle, wo ich wohne. Bahrain, nur vor wenigen Jahren noch im Schatten Dubais versteckt, ist endlich wer. Das ist doch auch was wert.